Ottensen-Exkursion am 22. Mai 2018 (Profilkurs Geographie)

Quelle: Veränderter Ausschnitt aus: www.geobasis.daten-hamburg.de/opendata-download/index.html [Stand: 25.06.2014]

1. Standort: Mercado, Ottenser Hauptstraße

Die Exkursion begann in der Ottensener Hauptstraße vor dem Einkaufszentrum Mercado, wo wir zunächst etwas über die Geschichte Ottensens erfuhren. Während der Industrialisierung wandelte sich das Dorf Ottensen aufgrund von günstigen Zollbedingungen zu einem wichtigen Industriestandort. Wichtige Industriezweige waren die Glas-,Tabak-, Zigarren-, Metallverarbeitungs- und Fischindustrie. Während der Deindustrialisierung verloren auch Betriebe in Ottensen nach und nach an Bedeutung und es wurden Pläne für eine Neugestaltung des Stadtteils geschmiedet. Eine Planung der 1970er-Jahre, in Ottensen eine „City-West" mit Verwaltungs- und Dienstleistungsgebäuden nach dem Vorbild der City-Nord  zu errichten, konnte durch das Eingreifen einer Protestbewegung verhindert werden. Diese Pläne hätten dazu geführt, dass ein Großteil der vom Krieg verschonten Gründerzeitbauten im Rahmen von Flächensanierungen zerstört worden wären.

Das Mercado wurde 1995 nach langen Debatten und Protesten eröffnet. Es liegt genau auf einem ehemaligen jüdischen Friedhof, weshalb zunächst befürchtet wurde, dass die Totenruhe der dort Begrabenen durch den Bau, besonders der geplanten Tiefgarage, gestört werden würde. Man fand einen Kompromiss: die Parkplätze befinden sich nun auf dem Dach des Einkaufszentrums und eine Gedenktafel erinnert an die Verstorbenen.

2. Standort Hohenesch 68-72

Der Spitzname „Kleinheringsdorf“ von Teilen Ottensens deutet schon an, dass die Fischindustrie einen zentralen Aspekt der Historie des Stadtteils widerspiegelt und die 2. Station diese markant kennzeichnet. Diese ist nämlich Standort einer ehemaligen Fischräucherei namens Hennings, welche laut der Exkursions-Führerin, vorwiegend Frauen als Angestellte, hauptsächlich zur Saisonarbeit innerhalb der R-Monate, beschäftigt hatte.

Übrig gebliebene Essensreste, die am Ende eines Werktages noch vorhanden waren, seien als Geschenke an Arme verteilt worden.

Weiterhin war hier der kurze Weg zum Bahnhof ausschlaggebend für eine optimale Funktionsweise des Betriebes. Die Handfertigkeit und relativ günstige Beschäftigung der Frauen waren zusätzlich entscheidende Merkmale der Räucherei. Um etwa 1955 kam es allmählich zu einem Nachlassen der Fischindustrie in Ottensen. Bis 1964 erfolgte hier letztlich noch Kleinverkauf. Bedingt durch die Massenfischerei in der Nordsee wurde die Fischindustrie hier immer mehr bedeutungsloser.

Heutzutage ist dieses Gebiet nicht mehr durch Industrie, sondern durch Kunsteinrichtungen, Designstudios sowie einer Motorradwerkhalle gekennzeichnet und weist somit Aspekte eines Szenegebiets auf. Heute sind noch die ehemaligen Vierkantschornsteine der Räucherei in den dortigen Hinterhöfen auszumachen. Ebenso erinnern das teils erhaltene originale Gemäuer, sowie diverse Verzierungen, wie beispielsweise eine Fischsilhouette, an die ehemaligen Zeiten des Betriebs.

 

3. Standort: Zeißstraße 28

Auf dem Weg durch die Zeißstraße, zur ehemaligen Drahtstiftefabrik von J.D. Feldtmann, sind wir an Häusern mit drei dicht aneinander gebauten Türen vorbeigekommen, den Sahlhäusern. Interessant daran war, dass sich hinter den außen liegenden Türen jeweils eine kleine Wohnung befindet und hinter der mittleren Tür eine schmale Treppe zu zweiten kleinen Wohnungen führt. Durch die minderwertige Bauqualität kämpfen die Häuser heute mit aufsteigender Nässe. Die Häuser der Straße wurden unter Denkmalschutz gesetzt. Eines dieser Häuser war so vom Schwamm zerfressen, dass es komplett neu aufgebaut werden musste. Die Aufgabe des Denkmalschutzes war die Fassade wieder so aufzubauen wie sie vorher war.

Im Innenhof dieses Hauses befindet sich die ehemalige Drahtstiftefabrik, die 1985 geschlossen und mit öffentlichen Geldern in Stand gehalten wurde. Heute befinden sich hier eine Geschichtswerkstatt und das Büro des Stadtteilarchivs Ottensen. Diverse Zulieferbetriebe z.B. Kesselhäuser, siedelten sich in den Innenhöfen an. Die Herstellung der Drahtstiften war konjunkturabhängig, weil die Drahtstifte für z.B. Bierfässer und Fischerkisten verwendet wurden. Die Wohnungen rund um diese Fabrik waren sehr unbeliebt auf Grund von Staub, Lautstärke und Gestank.

4. Station: Zeisehallen

Die Zeisehallen, welche heute als Medien- und Kulturzentrum fungieren, wurden 1868 in der Zeit der Industrialisierung von Theodor Zeise erbaut. Die Fabrik stellte bis zu ihrer Schließung im Jahre 1979 Schiffsschrauben her. Die Schließung ging mit der damaligen Schiffbaukrise und der Umstrukturierung des Stadtteils einher. Es fand insgesamt eine Deindustrialisierung statt. Nun folgte eine längere Brachzeit, da unklar war, was aus den aufwendig zu sanierenden Hallen werden könnte. Während dieser Übergangszeit wurde die alte Fabrik unter Denkmalschutz gestellt und die Idee die Hallen zum Beispiel als Kaufhaus oder Eislaufbahn zu nutzen kam auf. Gegen diese Überlegungen wehrte sich die Bevölkerung mit Protestwellen. Die ersten Restaurants zogen in den Eingangsbereich der Zeisehallen und sorgten ebenfalls für Bürgerbewegungen, da diese Restaurants für die dort lebenden Menschen nicht erschwinglich waren. Die Einwohner Ottensens wollten ein anderes Konzept, welches auch dem „einfachen“ Bürger die Möglichkeit gab, kostengünstig essen zu gehen. Zu dieser Zeit befanden sich die Zeisehallen immer noch in einem desolaten und zerfallenen Zustand. Nach Sanierungsarbeiten wurde 1993, erstmals seit über 10 Jahren ein Kino in Ottensen eröffnet, das sogenannte „Zeise-Kino“. Durch diese Aufwertung kamen viele weitere Restaurants, kleinere Boutiquen und ähnliche Geschäfte nach Ottensen. Die Menschen fühlten sich von dem sich neu entwickelnden Stadtteil angezogen. Die Zeisehallen werden heutzutage immer wieder als Beispiel für einen Gentrifizierungsprozess genannt.

5. Station: Ecke Am Born/ Nöltingstraße

Der Kemal-Altun-Platz ist ein Quartierpark, der auf dem ehemaligen Werkgelände von Menck und Hambrock errichtet wurde. Menck und Hambrock war ein Maschinenbaubetrieb, der hauptsächlich Bagger herstellte. Aufgrund der abnehmenden Nachfrage war das Unternehmen gezwungen zu schließen. 1974 folgte dann auch der Abriss der Gebäude. Ziel der Stadt war eine Neubebauung mit Hochhäusern und Bürogebäuden. Bügerinitiativen waren jedoch dagegen und haben durch Proteste die Neubebauung verhindern können. Anfangs wurde die brachliegende Fläche von den Bürgern zum Spielen, Feiern, als Bauwagenplatz, für Open-Air-Kinos und Flohmärkte genutzt. Später erstritt sich jedoch die Spielplatzinitiative von Ottensen ein Teil der Fläche und hat dort einen Aktivspielplatz mit einem Spielplatzhaus errichtet. Bei der Gestaltung der Grünanlage hat man den historisch-industriellen Hintergrund mit einfließen lassen. Dies spiegelt sich dezent beim Anblick der Grünanlage wider, denn Teile des Parks sind in Form von Zahnrädern angelegt. Heute erinnert ein 40 Tonnen schwerer Bagger, der 1954 in der Menck und Hambrock-Industrie hergestellt wurde, an die Industriegeschichte.

Nachdem sich der türkischer Asylbewerber, Kemal Altun, aufgrund seiner Abschiebung aus Deutschland und seiner wartenden Haftstrafe in der Türkei 1983 das Leben nahm, entschied sich die Menck und Hambrock-Initiative den Platz nach ihm zu benennen, um ihm zu gedenken. Obwohl der Stadtbezirk Altona 2012 ein Schild auf dem Park aufgestellt hat, auf dem „Kemal-Altun-Platz“ steht, ist es nicht der offizielle Name des Platzes, sondern eine im Volksmund verbreitete Betitelung.

Dieser Text wurde verfasst von den Schülerinnen und Schülern des Profilkurses Geographie 2017-19.